Irrfahrten und Grenzerfahrungen auf dem Weg nach Pucon

Um per Bus von Bariloche nach Pucon in Chile zu kommen gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder zuerst nach Osorno und dort Umsteigen nach Pucon, oder die viel schönere Fahrt über San Martin de los Andes.

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Einer der vielen Seen auf dem Weg nach San Martin de los Andes

Leider muss man dort aber eine Übernachtung einplanen, weil der Bus nach Pucon von da aus nur einmal am Tag und zwar um 6 Uhr morgens fährt. In der Hauptsaison in diesem touristischen Bergdorf eine günstige Unterkunft zu finden war verdammt schwierig. Nach langem herumirren entschieden wir uns für das letzte Doppelzimmer in einem Hostel, was uns 60 CHF kostete. Die einzige Alternative wäre ein Luxusbungalow von einem Hotel gewesen für 250 CHF pro Nacht. Nein, nicht die einzige Alternative. Es gibt etwas ausserhalb auch noch einen Campground und viele Backpacker schliefen einfach im, oder in der Nähe des Busterminals.

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Schlafende Backpacker an der Busstation von San Martin de los Andes

Am nächsten Morgen im Bus stellten wir fest, dass dieser in Junin de los Andes auch hält. Wir hätten also am Vortag auch dort nächtigen können, der Bus von Bariloche hatte dort auch angehalten. Das hatte uns im Ticketoffice aber niemand gesagt. Na ja, man kann nicht immer gewinnen. Dafür führte dieser zweite Teil unserer Reise durch den Lanin Nationalpark. Eine sehr schöne Strecke mit super Aussicht auf den grossen Vulkan Lanin.

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Der Vulkan Lanin

Dann kam für uns der zweite Grenzübergang nach Chile. Vom letzten Mal wussten wir, wie genau es die Grenzwächter mit Lebensmitteln nehmen und dass sie nicht zögern hohe Bussen zu verteilen wenn man nicht richtig deklariert. Also verpackten wir unseren Foodbag nicht zu tief im Rucksack und gaben auf dem Zollformular an, dass wir Lebensmittel dabei hätten. Brav stellten wir uns in die lange Schlange, um unsere Pässe abstempeln zu lassen. Als ich dem Zollbeamten nach der Durchleuchtung des ganzen Gepäcks das Formular zusammen mit dem Foodbag in die Hand drückte nahm er beides an sich und sagte nur: „Rucksack auspacken“ Na toll! Während die Beamten nun mit ernster Miene jedes Gewürz unter die Lupe nahmen, an jedem Tee Beutel schnupperten, aber erstaunlicherweise die 500 Gramm Milchpulver nicht beachteten, durfte ich mein Gepäck aus der Schutzhülle nehmen, und beide Drybags öffnen. Nach einem kurzen Blick in die vollgestopften Drybags entschieden sie sich, dass dies aber jetzt zu viel Arbeit wäre und mir wurde erspart alles auszupacken. Noch mal Glück gehabt. Als letzte stiegen wir wieder in den wartenden Reisecar ein und der fuhr umgehend weiter, über die staubige Strasse in Richtung unserer nächsten Destination.

Jahreswechsel im nördlichen Patagonien

Nach unserer nächtlichen Zeltaufstellaktion erwachten wir am nächsten Morgen eher spät. Beim Morgenessen mit unserem Zeltnachbar stellen wir ziemlich  schnell fest, dass er auch ein Gleitschirmflieger ist. Gemeinsam schmieden wir daraufhin unsere Flugpläne für den Tag. Er wusste auch schon von einem Fliegerhostel mit eigenem Landeplatz ganz in der Nähe zu berichten. Wir beschliessen, dem Hostel einen Besuch abzustatten.

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Fliegerhostel in El Bolson mit eigenem Landeplatz

Eine gute Stunde Fussmarsch später erfahren wir von Martin, dem Hostelbesitzer, dass heute kein Flugwetter sei, da der Wind aus der falschen Richtung komme. Die Erklärung zum Flugebiet erhalten wir im Anschluss auf einer riesigen Karte. Die Wetterprognose sagt erst wieder für den zweiten Januar fliegbare Bedingungen voraus. Dies gibt uns genügend Zeit um nach Bariloche zu fahren und dort Silvester zu feiern.

Am nächsten Tag wollen wir nach Bariloche fahren. Wir beschliessen, dass wir für die knapp 100 Kilometer versuchen wollen per Anhalter zu fahren. Alle Reisenden, die wir bisher getroffen haben erzählten uns immer begeistert, wie einfach das hier in Argentinien sei. Nun denn, Daumen hoch und warten. Nach über einer Stunde warten, sind wir uns einig, dass Autostopp hier mindestens so mühsam ist, wie zu Hause. Moritz meint, er wolle es noch mit einem Auto versuchen. Ich sah uns schon im Bus sitzen. Und da hält doch tatsächlich das nächste Auto an! Wahnsinn, und der Fahrer fragt sogar, ob wir nach Bariloche fahren wollen. Booja, so cool. Wir freuen uns wie kleine Kinder, während wir zusammen mit Hernan die Strasse entlang düsen.

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Danke, Hernan!

Als wir in Bariloche ankommen, fragt uns Hernan nach der Adresse, wo wir hin wollen. Wie jetzt, der will uns tatsächlich vor der Haustüre von Maylis und Philippe absetzen? Wie toll ist das denn?! Mit dem Schlüssel, den uns die beiden mitgegeben haben, gelangen wir in die Wohnung. Toll, endlich haben wir wieder eigene vier Wände. Ok, wir teilen sie mit Paola, einer Freundin von Maylis und Philippe, die zur Wohnung schaut. Aber Paola arbeitet den ganzen Tag und so haben wir die Bude fast für uns alleine.

Silvester feiern wir zusammen mit Anna und Laura, den zwei Barcelonistas, die wir in Puerto Madryn im Hostel kennengelernt haben. Die Party ist laut und wild und bis wir endlich essen, ist schon fast Mitternacht. Während dem Essen zählen wir dann schliesslich die Sekunden rückwärts und rutschen vollen Mundes ins neue Jahr. Gegen zwei Uhr machen wir uns dann endlich auf, um noch mit ein par anderen in den Ausgang zu gehen. Leider entfalten all die gegärten Flüssigkeiten ihre Wirkung in meinem Köper genau zu diesem Zeitpunkt und als wir endlich vor dem Partylokal stehen, muss ich klein beigeben und meinen Wunsch nach einem Bett in die Tat umsetzen.

Hallo 2015, kannst du mich nicht noch etwas schlafen lassen? Hach ja, wir wollten ja schauen, ob es vom Cerro Otto fliegt. Ich reisse mich zusammen und gemeinsam mit Martin, unserem Zeltnachbar von El Bolson, machen wir uns daran, den Berg hinauf zu laufen. Es gibt zwar eine Gondel auf den Cerro Otto. Doch heute ist Neujahrstag und die Argentinier bevorzugen dann langes Ausschlafen. Gearbeitet wird erst am Zweiten wieder, also fährt die Gondel heute nicht. Abgesehen davon transportiert die Gondelbahn aus Prinzip keine Gleitschirme hoch. Das Risiko, das mit dem Sport einhergeht, wollen sie nicht tragen. Andere Länder, andere Sitten.

Als wir oben ankommen, bläst der Wind leider zu stark, um ans Fliegen zu denken. So geniessen wir halt einfach den Ausblick und das gute Gefühl, die Silvestersünden schon am ersten Januar wieder verbrannt zu haben und machen uns an den Abstieg.

Am zweiten Januar fahren wir mit dem Bus zurück nach El Bolson. Wir reisen mit leichtem Gepäck und verstauen den Rucksack nicht im Gepäckraum i. bauch des Busses. Waurm die Umstände? Wir haben festgestellt, dass man mit Handgepäck dort aus dem Bus aussteigen kann, wo man will. Da das Fleigerhostel ganz am Anfang von Bolson liegt, wollten wir nicht bis zum Busbahnhof in der Ortsmitte fahren.

Kaum im Hostel angekommen, wurden wir schon in den nächsten Pickup gepfercht, der zum Startplatz hochfuhr. Einen schönen Flug später lande ich dank viel Wind rückwärts in einem grossen Feld unweit einer Hopfenplantage.

Zurück im Hostel werde ich mit einer Flasche selbstgebrautem Bier empfangen. Martin, der Hostelbesitzer, braut pro Jahr in seinem 200 Liter Fass etwa sechs Mal Bier für seine Hostelbar. Wir haben schon im Dorf festgestellt, dass es hier in Bolson viele Mikrobrauereien gibt. Doch anscheinend gibt es noch viel mehr passionierte Hobbybrauer in der Region.

Runterfahren in El Chaltén

Nach viel Hiking und teurem Touristenprogramm wollten wir unsere Reisegeschwindigkeit etwas verringern. Über Weihnachten quartierten wir uns darum auf dem Camping vom Hostel del Lago in El Chaltén ein. Es war schön sich wieder einmal für ein paar Tage an einem Ort einzurichten. El Chaltén wurde erst vor 30 Jahren gegründet und man munkelt der Grund dafür sei vor allem ein Grenzstreit mit Chile. Hier gibt es vor allem Hostels und Tourenverkäufer und einige Brauereien.

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überschaubar…
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Deutscher Einfluss ist hier allgegenwärtig
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Bergsteigerrestaurant

Der Camping und auch das Hostel sind erstaunlich günstig für patagonische Verhältnisse und es gibt zwei Küchen und Aufenthaltsräume für alle Gäste. Dies ist toll, weil einerseits das Wetter sehr wechselhaft und so windig ist, dass wir das erste Mal wirklich alle Abspannleinen des Zelts genutzt haben, und andererseits da unsere Kochmöglichkeiten sonst ziemlich eingeschränkt sind. Wir waren es leid Fertignudeln mit Salami und Tomatensuppe und ähnliches zu essen. Uns stand der Sinn mehr nach frischem Gemüse. Im ersten Suppermarkt bestand die Verduleria – die Gemüseabteilung – nur aus Kartoffeln und Eiern, aber um die Ecke fanden wir einen kleinen Laden in einem Privathaus, der nur Gemüse verkaufte. Der nette Herr erklärte uns, dass alles Gemüse für Patagonien von Cordoba mit Lastwagen runtergekarrt wird, weil hier nichts dergleichen wachse.

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Camping mit Aussicht auf das Fitz Roy Massiv
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Falls das Wetter Big Wall Kletterei nicht zulässt gibt es noch etwa 1000 Boulder in der Umgebung
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Wäsche trocknen geht hier schnell, aber dass man noch alle Teile wieder findet ist nicht sicher.

Die Gäste vom Camping waren hauptsächlich Kletterer und Bergsteiger die längere Zeit dort wohnen und auf gutes Wetter für ihre Vorhaben warteten. Das kann hier auch mal länger dauern. Die Atmosphäre war gemütlich und freundschaftlich. Beim Kochen sprach uns ein französisches Mädchen an. Sie hatte unseren schweizerdeutschen Dialekt erkannt. Wir verstanden uns blendend und erfuhren von ihr, dass sie mit ihrem Freund in Bariloche wohnt, aber hier in den Ferien ist für drei Wochen. Kurzerhand boten sie uns an, einige Tage in ihrer Wohnung in Bariloche zu wohnen. Wir konnten es erst gar nicht richtig glauben, als wir dann aber die Hausschlüssel erhielten, waren wir überwältigt von so viel Vertrauen in zwei fremde Menschen. Allgemein sind die Leute hier extrem herzlich und hilfsbereit und teilen alles wie selbstverständlich. Ein Konzept an das man sich erst mal gewöhnen muss, aber dann ist es toll!

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Wasserfall
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Der Fitz Roy versteckt sich


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Wir blieben für 5 Tage auf dem Camping und machten nur Tageswanderungen zur Laguna Torres und zur Laguna de los tres. Tageswanderung bedeutet hier aber auch schnell mal 20 Km oder mehr. Sonst nahmen wir es gemütlich, unternahmen höchstens einen Spaziergang zu den verschiedenen Aussichtspunkten und zum Wasserfall, welche alle in der Nähe von El Chaltén sind. Der Wind war dabei allgegenwärtig. Er ist stark mit noch stärkeren Böen und kommt scheinbar aus allen Richtungen gleichzeitig. Alle Locals halten es für verrückt hier fliegen zu wollen. Zu unberechenbar ist das Wetter. Auch wenn es mal windstill sei, könne jeden Moment eine Böe oder Windhose alles, was nicht festgemacht ist, davon blasen. Wir sahen sowieso keine dieser ominösen Windstillen Tage, ausser der letzte, an dem es dafür dann regnete.

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windig…
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windiger…

An Heiligabend fand im Hostel eine grosse Party statt. Zuerst kochten wir uns ein Festmahl und dann ging es ab zum Tanzen bis in die frühen Morgenstunden. Hier wird Weihnachten noch so richtig ernst genommen und um Mitternacht stehen alle von Esstisch auf, umarmen sich und wünschen sich ‚feliz navidad‘ – auch Gringos wie wir werden da einbezogen. Ausserdem fuhr pünktlich um 12 Uhr das einzige Feuerwehrauto der Stadt mit Sirenengeheul durch alle Strassen, um Weihnachten einzuläuten.

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Weihnachtsstimmung

Unsere Weiterreise war am 27.12. Und sollte uns ein ganzes Stück nach Norden, bis nach El Bolson bringen. Wir waren definitiv reif für etwas mehr Wärme und vor allem viel weniger Wind. Dazu wirbelte der Wind noch einen ganz feinen Staub auf, der quer durch unser Zelt geblasen wurde und sich überall fest setzte. Am Morgen beim Aufwachen knirschte es manchmal sogar zwischen den Zähnen. Mit der Aussicht auf baldiges Flugwetter war auch die Vorstellung von weiteren 20 Stunden Busfahrt ganz erträglich. Leider dauerte die Fahrt dann noch 7 Stunden länger und es wurde dabei nur ein Essen serviert. Zum Glück haben wir immer einige Snacks dabei. Als wir um 2 Uhr Morgens ziemlich geschafft in Bolson ankamen und unser Zelt im Dunkeln irgendwo auf dem Camping aufgestellt hatten, fielen wir sofort in einen tiefen Schlaf.

El Calafate

Wer zum Perito Moreno Gletscher will, startet seinen Ausflug oft in dieser Outdoor Touristen Stadt. El Calafate ist vom Preisniveau und der Touristendichte etwa mit Interlaken vergleichbar. Daher entschieden wir uns fürs Übernachten auf dem Campingplatz.

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Touristenfallen in Calafate
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So macht man einen Schlafsack mit Komforttemperatur 12 °C Patagonientauglich: Eine Rettungsdecke unterlegen, Daunenjacke um die Füsse wickeln und die Konstruktion mit einer zweiten Rettungsdecke garnieren. Wir nennen es auch Traumstation MIR 😉

Als wir auf der Suche nach einem günstigen Restaurant durch eine Nebengasse schlenderten, stiessen wir am Strassenrand auf ein Auto mit Berner Nummernschildern. So kam es dazu, dass wir den Abend mit Sabsi und Elias verbrachten und uns gegenseitig über die Stolpersteine der Schweizer Bürokratie beim Abmelden des Wohnsitzes lustig machten.

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Kaffeeklatsch im Aufenthaltszelt von Sabsi und Eli.

Am nächsten Morgen fuhren wir dann zum Perito Moreno Gletscher. Wie wir uns vor Ort selbst überzeugen konnten, ist dies wirklich einer der wenigen Gletscher, der noch wächst und zwar bis zu zwei Meter pro Tag. Dies führt zu einem schaurig schönen Spektakel: Immer mal wieder knackt es laut im Eis. Und dann auf einmal lösen sich Teile des Gletschers und stürzen tosend ins Wasser. Kalben wird dieser Vorgang genannt.

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Stägeli uf….                                                             … Stägeli ab.

Das Gelände vor dem Gletscher wird heute von einer riesigen Anlage aus künstlich angelegten Gehwegen über Metallgitter geprägt. Nicht sonderlich schön dafür sehr praktisch, da sich mehrere Personen nebeneinander bewegen können. An bestimmten Punkten sind kleine Aussichtsplattformen gemacht worden, die mit kleinen Bänken zum Verweilen und Beobachten des Gletschers einladen.

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Moritz braucht mal einen neuen Haarschnitt. Weil das Budget knapp ist, spielten wir Friseursalon auf dem Campingplatz. Der Vorher-Nachher-Vergleich zeigt klar: Üben, üben, üben…