Unsere letzte Bolivianische Destination war das Städtchen Copacabana am Titicacasee. Dies ist übrigens das echte Copacabana. Der Brasilianische Strandname ist nur eine Anlehnung wegen der Ähnlichkeit.
Weil unser Visum am Tag der Ankunft ablief, war ein kurzer Besuch vorprogrammiert. Wir entschieden uns allerdings eine Nacht zu bleiben und eine Busse von 20 Bolivianos (3 CHF) für einen Tag eigenmächtige Visumserlängerung zu riskieren. So bot sich uns auch noch die Möglichkeit für einen Hike and Fly Versuch vom Hügel hinter dem Städtchen. Nach dem Einchecken im Hostal Central und anschliessender Besichtigung des Landeplatzes auf der Strandstrasse (etwas entfernt vom Städtchen, um allen Kabeln auszuweichen) schulterten wir unsere Ausrüstungen und liefen los. Während der Wanderung sah alles sehr vielversprechend aus und über der Bergkuppe bildeten sich Thermikwolken. Leider war der offizielle und sehr kurze Startplatz bei unserer Ankunft um 16:30 Uhr im 90° Winkel angeströmt. Also hiess es erst einmal Alternativen suchen, was sich gar nicht so einfach gestaltete. Überall war alles voll mit grossen Steinen, Büschen und scharfkantigem Abfall. Als wir uns auf das kleinste Übel geeinigt und unsere Schirme ausgelegt hatten, hatte sich auch das letzte Lüftchen verzogen und an ein Starten ohne Aufwind war an diesem Ort und auf über 4000 Metern nicht zu denken. Also wechselten wir wieder auf den kurzen und steilen offiziellen Startplatz, welcher dafür frei von Hindernissen war. Dort herrschte aber schon so viel Rückenwind, dass kein Startversuch fruchtete.
Leicht geknickt packten wir unsere Schirme zusammen und wurden vor dem Runterlaufen im Eindunkeln wenigstens noch mit einem spektakulären Sonnenuntergang belohnt. Unten angekommen gönnten wir uns in einem der vielen Restaurants die lokale Spezialität Trucha, Forelle direkt aus dem Titicacasee. Ein erneuter Hike and Fly Versuch am nächsten Morgen wurde durch den anhaltenden Regen im Keim erstickt und auch die Isla del Sol hatte so keinen Reiz für uns, darum stiegen wir in den nächsten Bus Richtung Puno in Peru.
Nach 10 Minuten kam auch schon die Grenze und für uns der Moment unser Pokerface aufzusetzen. Wir wissen nicht ob es der verschwommene Eingangsdatumstempel im Pass war, ob der nette Herr am Schalter einfach nicht rechnen konnte oder aber ob er dachte von 1.3. – 31.3. sei ja noch der gleiche Monat und darum ok, jedenfalls wurden wir beide problemlos durchgewunken. In Puno angekommen kauften wir unsere Fahrkarte nach Arequipa mit Econociva für 20 Soles. Beim Einsteigen in diesen Bus wurden wir wie alle anderen Passagiere gefilmt und mit einem Metalldetektor durchsucht. Es scheint in Peru immer wieder vor zu kommen, dass Passagiere ganze Busse ausrauben oder entführen. Das fing ja schon mal gut an. Im Bus trafen wir dann auf ein Pärchen, welches schon seit Copacabana mit uns unterwegs war und die die ganze Reise bis Arequipa in einer Fahrkarte gebucht hatten. Sie hatten locker das Doppelte für ihr Ticket bezahlt, fuhren aber alles in den gleichen Bussen wie wir. In Copacabana wird einem ein Luxusbus versprochen aber im Endeffekt wird man dann einfach auf den günstigsten Bus gebucht und der Profit streicht der Anbieter ein. Trotz dem billigsten Bus kamen wir nach Sechs Stunden wohlbehalten, ohne Überfall und mit all unserem Gepäck in Arequipa an.
La Paz liegt in einem riesigen Kessel am Rande eines Hochplateaus. Im Sonnenuntergang nähern wir uns der Stadt. Langsam beginnen die Lichter zu leuchten. Nach einer langen Fahrt entlang dem Rand des Kessels, taucht der Bus endlich in das Lichtermeer der Stadt ab.
Als wir aus dem Busterminal stolperten, verabschiedeten sich gerade zwei Polizisten voneinander. Wir haben viel darüber gelesen, wie unangenehm die Stadt als Tourist sein kann. Deshalb ergriffen wir die Gelegenheit beim Schopf und fragten den einen Polizisten, welchen Weg zum Hotel wir am besten einschlagen würden. Der Polizist meinte kurzerhand, er begleite uns ein Stück. Mit den Zeilen aus den Reiseführern im Hinterkopf setzten wir uns mit ihm gemeinsam in Bewegung. Als er uns dann zu erklären begann, wovor wir uns in La Paz in Acht nehmen sollen, löste sich unsere Anspannung allmählich in Luft auf. Wir hörten immer wieder, dass Touristen von als Polizisten verkleideten Dieben aufgefordert worden seien ihren Ausweis und ihre Wertsachen zu zeigen. Im Anschluss an diesen Scam, zu Deutsch Bauernfängerei, durften sie dann bei richtigen Polizisten eine Diebstahl Anzeige machen. Unser netter Begleiter betonte ausdrücklich, dass die Polizei nie einen Touristen auffordern würde sich auszuweisen, ausser natürlich es besteht ein echter Grund, wie Verdacht auf Drogenbesitz. Im Falle eines Scams solle man einfach nein sagen und weiter gehen. Die Aufforderung mit dem falschen Polizisten per Taxi auf den Polizeiposten zu fahren, solle man auch dankend ablehnen. Manche mögen sich jetzt denken, so dumm sei kein normaler Mensch. Leider scheint es aber immer wieder Leute zu geben, die genau mit dieser Masche übers Ohr gehauen werden.
Flügel ausbreiten
Rund um La Paz türmen sich einige Berge in die Höhe. So erstaunt es nicht wenig, dass wir auch hier ein paar Gleitschirmpiloten antreffen, die jede mögliche freie Minute aus der Stadt herausfahren, um die Welt aus der Vogelperspektive zu sehen. Wir haben unsere Ankunft zeitlich gut geplant. Es ist Freitag und am Wochenende treffen sich die Piloten des lokalen Klubs zum gemeinsamen Fliegen. Sie chartern immer einen Minibus mit Fahrer,der sie zum Startplatz fährt und sie später am Landeplatz wieder auflädt.
Am Landeplatz wird dann meist nach einem Flug noch etwas mit dem Schirm im Wind gespielt bevor alle ihre Sachen packen und gegen Mittag wieder im kleinen Vorort von La Paz gemeinsam Mittag essen. Sandra, eine der zwei weiblichen Pilotinnen in La Paz, fragte mich einmal auf dem Weg zurück zum Bus, wie lange denn mein längster Flug gedauert habe. Ich erinnerte mich an Pfingsten 2014, als ich meinen ersten richtigenStreckenfluggemacht habe. Ich erzählte ihr, dass ich damals fast sechs Stunden in der Luft war und dachte mir nichts dabei. Mit offenem Mund blieb Sandra stehen und schaute mich ungläubig an. Die Erklärung für ihr Erstaunen folgte postwendend. Sie sagte mir, dass sie nun schon fünf Jahre fliege, aber hier in Bolivien sei es kaum möglich länger als eine Stunde zu fliegen. Ihr persönlicher Rekord liege bei 20 Minuten. Ich meinerseits war erstaunt über die kurze Dauer der Flüge hier. Ich dachte bisher, dass wir einfach nicht die richtige Zeit im Jahr erwischt hätten, schliesslich war Ende Regenzeit und das Klima noch immer sehr feucht und zudem wechselhaft.
Tag des Meeres
Am 23. März feierten die Bolivianer den Tag des Meeres. Ohne die Geschichte zu kennen eine spezielle Tradition für ein Binnenland. Nimmt man aber die Geschichtsbücher hervor, fällt schnell auf, dass auf alten Karten Bolivien sehr wohl Meeranstoss hatte. Ende des 19. Jahrhunderts verlor Bolivien aber dieses Territorium im Salpeterkrieg an Chile. Faktisch ist Bolivien seit dann das einzige Land in Südamerika, das keinen Meeranstoss hat. Selbst Paraguay, das auch ein Binnenstaat ist, hat den Rio Paraguay, auf dem Waren im „eigenen Land“ bis zum Meer transportiert werden können. Bolivien zahlt an Chile eine Menge Geld, um Waren über den Seeweg zu transportieren. Die Sache ist ziemlich kompliziert. Eigentlich bestehen Verträge, die Bolivien den Zugang zum Meer via Chile zusichern, diese werden aber nicht wirklich eingehalten. Am Tag des Meeres wird also in Bolivien daran erinnert, dass die Situation mit dem Meeranstoss für das Land so nicht akzeptabel ist und verbessert werden muss (so die sanfte Version, fragt man einen Militaristen, hört sich das eher nach Territorialkrieg an). Zur Feier des Tages defiliert das Militär durch La Paz und wird von dabei von der Luftwaffe mit einer Airshow begleitet. Darum herum findet in der ganzen Stadt ein kunterbuntes Fest mit Ansprachen verschiedenster Politiker statt.
Regionalwahlen in Bolivien
Einige Tage nach diesem Fest fuhren wir mit dem Bus nach Rurrenabaque. Wie es uns dort erging, lest ihrhier. Noch vor unserer Abreise wurde uns ans Herz gelegt spätestens am kommenden Donnerstag oder Freitag mit dem Bus nach La Paz zurück zu fahren. Am Sonntag standen nämlich die Regionalwahlen an und deswegen dürfen Langstreckenbusse ab Samstag nicht mehr verkehren. In Rurre ergatterten wir die letzten vier Plätze in einem Bus. Vier deshalb, weil ja Sophie und Aless, die zwei Belgierinnen, auch mit uns unterwegs waren. Der Grund für die Verkehrsrestriktion besteht darin, dass Bolivianer zum Wählen in den Wahlkreis fahren müssen, in dem sie ihre Papiere haben. Wahlkreis wechseln ist beinahe unmöglich und mit unglaublich viel Papierkram verbunden. Deshalb müssen viele Bolivianer durch das halbe Land in ihr Heimatdorf reisen, um zu wählen. Da in Bolivien Wahlpflicht besteht, sind kurz vor den Wahlen die meisten Verkehrsmittel ausgebucht. Und die Verkehrsrestriktion für Langstrecken am Samstag vor den Wahlen dient wohl dazu, dass auch die Busfahrer in ihr Heimatdorf fahren können. Ab Samstag Nacht dürfen offiziell nicht einmal mehr Taxis verkehren.
Die Fahrt war nicht sehr erholsam und morgens um fünf strandeten wir ziemlich fertig in Villa Fatima, La Paz. Zum Glück war unsere Unterkunft, das Bacoo Hostel, äusserst flexibel, wenn es um die Check-in Zeit betraf. So bezogen wir um sechs Uhr morgens unser Bett und legten uns erst einmal schlafen.
Am Wahlsonntag war dann das Stadtbild in La Paz sehr ungewohnt. Dort wo sonst das Leben pulsierte und ungeduldige Verkehrsteilnehmer ausgiebig Gebrauch von ihren Hupen machten, herrschte Stille und gähnende Leere. Die Stadt war wie ausgestorben. Einige Kinder und Jugendliche ergriffen erfreut die Gelegenheit der freien Strassen und kurvten ausgiebig mit ihren Fahrrädern und Skateboards darauf herum. Für uns war es sehr eindrücklich zu sehen, wie eine Millionenstadt so menschenleer sein kann.
Die Gondelbahnen von La Paz
Wie bereits erwähnt, befindet sich La Paz in einem riesigen Talkessel. Zwischen dem Vorort El Alto, der auf dem Hochplateau liegt, das die Stadt umgibt und dem tiefsten Punkt der Stadt liegen etwa 400 Höhenmeter. Die Strassen sind konstant überlastet und Platz für neue Strassen ist nicht vorhanden. Deswegen hat die Regierung beschlossen unter dem Namen „Mi Teleferico“ einige Seilbahnen zu bauen, die verschiedene Teile der Stadt miteinander verbindet. Pendler gewinnen dadurch sehr viel Zeit, da sie nicht mehr die ganze Strecke mit dem Bus, der im Stau steckt, zurücklegen müssen. Ende Mai 2014 wurde die erste Linie in Betrieb genommen. Bisher sind total drei Linien Rot, Gelb und Grün in Betrieb. In Planung sind weitere fünf Linien. Je nach Länge der Linie gibt es eine oder mehrere Zwischenstationen. Für Touristen bietet sich jetzt also neu die Möglichkeit die Stadt im Vorbeiflug zu erkunden und die Lebensräume der Bewohner aus einer ganz neuen Perspektive zu erleben.
Zusammen mit Sandra machen wir an einem späten Nachmittag die Teleferico Rundfahrt. Los gingen wir etwa um halb fünf und die erste Linie, die wir bestiegen, war die Rote. Sie verbindet den nördlichen Teil ab Cementerio mit El Alto. Als wir schon fast die Bergstation in El Ato erreichten, machte uns Sandra auf etwas glänzendes in einem Felsspalt einer Klippe aufmerksam. Sie erzählte, dass vor einiger Zeit ein betrunkener Autolenker mit seinem Auto über die Klippe gestürzt sei und in der Felsspalte stecken blieb. Die Rettungskräfte versuchten anschliessend vergeblich Auto und Lenker aus der Spalte zu bergen.
Da Sonntag war, fand in El Alto der grosse Markt statt. Laut Sandra findet man hier alles, was man in den Läden der Stadt vergeblich sucht und mehr. Tatsächlich preisen die Verkäufer von Automotor Einzelteilen bis hin zu nagelneuen Küchenmaschinen und Kleidern alles an, was man sich denken kann. Sandra sagte, dass es noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen wäre mit Touristen über diesen Markt zu schlendern. Damals war ein Präsident mit nordamerikanischen Wurzeln an der Regierung und die indigene Bevölkerung fühlte sich von ihm nicht gerecht behandelt. Da ein Grossteil der Bevölkerung in El Alto indigenen Ursprungs ist, reagierten sie jeweils sehr aufgebracht, wenn sie ein weisses Gesicht in ihrem Dorf antrafen. Offenbar endeten die Begegnungen meist damit, dass die weisse Person vom Pöbel übel zugerichtet wurde. Zum Glück ist das heute nicht mehr so. Dennoch ist Vorsicht geboten. Einen Teil der Strecke bis zur Bergstation der gelben Linie legten wir schliesslich doch mit dem Trufi zurück, nicht weil die Distanz zu weit gewesen wäre…
Auf der Fahrt ins Herz von La Paz konnten wir den Wandel der Häuser wunderbar sehen. Oben in El Alto zeigten die meisten Häuserfassaden ihre nackten Backsteine. Je weiter ins Stadtzentrum wir kamen, desto mehr Häuser waren verputzt und schliesslich sogar angestrichen. Die Ordentlichkeit der Bewohner wurde auch besser, je näher wir dem Stadtkern kamen. Als wir von der Gelben auf die grüne Linie wechselten, dunkelte es bereits ein. Diese beiden Linien teilen sich die Talstation. Die grüne Linie verbindet den Stadtkern mit der gutbetuchten Zona Sur. Hier kamen zu den schön gestrichenen Hausfassaden noch Pools und gestutzte Rasenflächen hinzu. Langsam begannen die Lichter der Stadt zu leuchten. Zusammen mit dem Mond ergab sich eine wunderbare Abendstimmung, die wir von hoch über den Dächern La Paz‘ bestaunen durften. Für uns war das eine sehr gelungene und auch empfehlenswerte Stadtrundfahrt. Einzig der Weg zwischen den Bergstationen der Roten und gelben Linie ist alleine als Tourist nicht sehr empfehlenswert. Wenn man aber einfach die Gelbe und grüne Linie fährt und an der Bergstation der Gelben linksum kehrt macht, besteht eigentlich kein Sicherheitsrisiko.
In den 20 Tagen die wir bis dahin in Bolivien verbracht hatten, bewegten wir uns immer auf mehr als 2500 Metern über Meer. Doch Bolivien besteht aus 3 Klimazonen: Das Gebirge und das Altiplano im Westen, die subtropischen Yungas und gemäßigten Täler der östlichen Ausläufer des Gebirges, sowie die tropischen Tiefebenen im Osten des Landes. Während wir die ersten beiden schon zur Genüge ausgekundschaftet hatten lockte uns die letztere mit Wärme und Urwaldabenteuern. Startpunkt für die Urwald- und Pampatouren im und um den Nationalpark Madidi ist Rurrenabaque, eine kleine Stadt am Fluss Beni. Um von La Paz nach Rurrenabaque zu kommen gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder 40 Minuten fliegen mit Amaszonas für 100us$ oder 17 Stunden Busfahrt für 11us$. Die Busfahrt führt durch die Yungeñas und bietet tolle Aussichten aber auch Nervenkitzel. Sie führt über Teile der sogenannten Death Road, eine der gefährlichsten Strassen der Welt wo es immer wieder zu Unfällen kommt und Erdrutsche und andere Naturgewalten regelmässig für die Verdoppelung der Fahrzeiten sorgen. In vielen Reiseführern wird diese Strecke als die schlimmste Busfahrt in ganz Südamerika bezeichnet.
Wir hatten uns aber schon für eine teure Tour im Urwald angemeldet und wollten deswegen beim Transport sparen. Wie schlimm kann so eine Busfahrt schon sein? Wir hatten ja schon so einiges erlebt.
Jeder den wir fragten empfahl uns die Busgesellschaft Flotas Yungeñas. Die hatten 2011 einen schlimmen Unfall mit vielen Toten und müssen anscheinend seither mehr in die Sicherheit ihrer Busse investieren, weil sie sonst ihre Lizenz verlieren würden.
So standen wir einen Tag später beim Busterminal von Villa Fatima in La Paz und bewunderten die mit verschiedenen Motiven, wie Wölfen und Kondoren wunderschön angemalten Busse dort. Über deren Alter konnte aber die 10 Schicht Farbe auch nicht hinweg täuschen. Spätestens wenn man im staubigen Inneren auf einem zerflederten Polster sass, jede Metallfeder spürend, wusste man was Sache ist. Immerhin liessen sich die Rücklehnen zurück klappen und uns auf etwas Schlaf hoffen. Zuerst durften wir aber noch die tolle Aussicht geniessen. Tiefe Schluchten, hohe Felswände und dichte Vegetation wo man hinsah. Manchmal sah man auch die Überreste eines Erdrutsches, aber wir hatten zum Glück immer freie Bahn.
Nach dem Stopp für das Abendessen in einem kleinen Dorf versuchten wir uns zurückzulehnen und etwas zu schlafen, was durch das ständige Geholper und Geschwanke ziemlich erschwert wurde. Als der Bus um 5 Uhr morgens pünktlich in Rurrenabaque ankam hatten wir vielleicht 3 Stunden geschlafen und dazwischen etwas gedöst. Definitiv kein Picknick aber alles gar nicht so schlimm wie es vorher aussah entschieden wir als wir in der französischen Bäckerei in Rurre sassen und Croissants und Pain au Chocolat assen und guten Kaffee tranken. Erstaunlich wo auf der Welt man auf solche Annehmlichkeiten stösst.
Als wir dann auch noch den Tour Start um eine Stunde verschieben mussten, weil die zwei Mitglieder unserer Gruppe die mit dem Flugzeug kamen Verspätung hatten waren wir überzeugt die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Unsere Gruppe wurde dann endlich drei Stunden mit einem Boot den Fluss Beni runter gefahren und schliesslich ausgeladen von wo wir noch 30 Minuten bis ins Haupthaus des Serere Reservats durch den Dschungel laufen mussten. Als Unterkunft wurden in den Urwald einige Bungalows gebaut, die als Wände nur Moskitonetze haben. Jede Zweiergruppe hatte ihren eigenen Bungalow.
Als alle ihre Quartiere bezogen hatten machten wir einen ersten kleinen Ausflug auf den See mit einem kleinen Ruderboot. Unser Guide Zenón erzählte uns viel vom Urwald. Am Ufer konnten wir die Affen in den Bäumen rumspringen sehen und aufgeschreckte Vögel die sich fliegend in Sicherheit brachten. Leider konnten wir keinen Kaiman finden. In dieser Jahreszeit sei es schwer wegen dem hohen Wasserstand. Das Nachtessen genossen wir im Kerzenlicht. In der ganzen Serere Lodge gibt es keinen Strom. Die vielen Glühwürmchen die wir draussen rumschwirren sahen machten das Ganze noch besser. In der Nacht wurden die Geräusche des Urwalds leiser aber man war trotz der luxuriösen Bungalows mit Bad und Doppelbett mittendrin. Am Morgen wurden wir von einer Gruppe Kapuzineraffen geweckt, die durch die Baumwipfel in der Nähe turnten.
Auf schmalen Pfaden und manchmal auch nur mithilfe der Machete bewegten wir und an diesem Tag immer tiefer in den Urwald, auf der Suche nach exotischer Flora und Fauna. Zu jedem Fund wusste Zenón einiges zu erzählen. Er ist in diesen Wäldern aufgewachsen und kennt sie wie seine Hostentasche. Für uns spürte er verschiedenste Affenarten, Vögel, Schlangen, Ameisen und Eidechsen auf. Er erklärte uns wie er sich mittels Klopfsignalen auf grossen Baumwurzeln mit anderen, weit entfernten Guides verständigen kann, aus welchen Lianen er Trinkwasser gewinnen kann und wo und wie er eine Nacht im Dschungel überstehen würde. Zu den verschiedenen Heilpflanzen konnte er immer auch noch eine Geschichte zum Besten geben wie er sie einmal anwenden musste.
Auf der Fruchtplantage des Reservats zeigte er uns, dass wir Europäer keine Ahnung haben wie man eine Grapefruit verzehrt. Auf dem Weg zurück, verfolgten wir eine Gruppe von 50 wilden Schweinen weit in den Urwald. Es dunkelte schon ein als wir zum Boot zurückkommen. Perfektes Timing um nach Kaimanen zu suchen. Langsam paddelte Zenón uns dem Ufer des ganzen Sees entlang und leuchtete mit seiner Taschenlampe ins Schilf um die Reflexion in den Augen eines Kaimans zu entdecken. Nach 40 Minuten, wir waren mittlerweile trotz dem stärksten Gift von den Mücken völlig verstochen, wollten wir schon aufgeben als wir mitten auf dem See einen grossen Schatten mit leuchtenden Augen entdeckten. Langsam paddelten wir näher bis wir das zwei Meter lange Vieh aus nächster Nähe im Lampenlicht betrachten konnten. Als der Kaiman langsam davon schwamm paddelten wir hinterher bis wir erneut nur einen Meter entfernt waren. Als Aless hinter mir ihre GoPro einschaltete um das Erlebnis zu filmen fühlte sich der Kaiman durch das Piepsen so gestört, dass er schnell und mit einem grossen Satz im Wasser verschwand. Einige unserer Gruppe erschraken dabei so, dass unser Boot nahe am Kentern war. Ein eindrückliches Erlebnis über das wir beim Nachtessen zusammen herzlich lachen konnten.
Den Morgen des dritten Tages verbrachten wir mit einem weiteren Spaziergang durch einen anderen Teil des Reservats, auf der Suche nach einem Faultier. Wir sahen viele Dinge, wie den Arbol del Diablo, ein Baum wo sich Feuerameisen einnisten und der von den Urvölkern benutzt wurde um ihre Feinde zu foltern indem sie sie nackt an diese Bäume fesselten sowie weitere Heilpflanzen, riesige Schmetterlinge und wunderschöne Blumen, aber leider kein Faultier. Mit vielen neuen Erfahrungen und Eindrücken im Gepäck fuhren wir an diesem Nachmittag mit dem Langboot flussaufwärts zurück in die Zivilisation. Kaum zu glauben, was wir in dieser kurzen Zeit alles erleben durften.
Zu fünft in ein Taxi gequetscht, fuhren wir mit Aless, Sophie und Lucy nach dem Frühstück zur Haltestelle der Trufis. Ein Trufi ist in Bolivien ein Minibus mit 12-15 Plätzen. Normalerweise fahren diese los, sobald acht bis zehn Personen die Fahrt gebucht haben. Unterwegs steigen meistens noch Leute zu.
Als wir an diesem Morgen bei der Trufistation ankommen, haben wir sehr viel Glück: Es sind noch genau fünf Plätze verfügbar. So bleibt uns ein langes Warten auf die nötigen Passagiere erspart.
Dreieinhalb holprige Stunden später fuhren wir im Dörfchen Toro Toro ein. Wer jetzt ein vom Tourismus gezeichnetes Andendorf erwartet, müssen wir leider enttäuschen. Der Dorfplatz wird zwar von einigen Dinosaurierplastiken in Lebensgrösse beherrscht, ansonsten leben die Menschen hier in ihrem ursprünglichen Rhythmus. Gleich am Dorfplatz befindet sich auch das Büro des Nationalparks, in welchem man die Eintrittsgebühr für den Park bezahlen muss. An der gegenüberliegenden Ecke ist das einzige Tour Office gelegen. Bis auf einige kleine Spaziergänge können keine Exkursionen ohne Guide unternommen werden.
Wir buchen für 100 Bolivianos die Nachmittagstour in den Canyon. Die Tour Kosten hier richten sich nur bedingt an der Anzahl Teilnehmer aus. Die Canyon Tour kostet immer 100 Bolis, ob zu zweit oder zu fünft.
Schon etwas spät aber vergnügt zotteln wir gemeinsam mit unserem 16-jährigen Guide los. Er fasst alles sehr kurz und legt ein strammes Tempo vor. Wir wundern uns weshalb, eigentlich möchten wir die Landschaft und die Dinosaurierspuren geniessen. Am Aussichtspunkt vom Canyon stellt sich dann heraus, dass wir noch bis auf den Grund des Canyons gehen wollen und die Sonne schon bald untergehen würde. Ach so, daher rührt die leicht gestresste Art unseres Guides. Auf dem Weg nach unten können wir viele Vögel beobachten, darunter grüne Papageien mit roten Schnäbeln.
Unten im Canyon werden wir von einem wundervollen Wasserfall überrascht, der über moosbewachsene Steine rieselt und eine Atmosphäre wie mitten im Urwald zaubert. Der Aufstieg wird anschliessend recht anstrengend.
Rechtzeitig zum Sonnenuntergang schaffen wir es wieder zum Parkausgang. Den Weg zurück ins Dorf beenden wir im Dunkeln.
Als wir zurück ins Hostel kommen, richtet uns die Hostel Mama einen Gruss von Carine und Thomas, den zwei Franzosen, die auch mit auf der Uyuni Tour waren, aus. Wenig später treffen wir die beiden während unserer Suche nach einem Abendessen an. Wir verabreden uns für den Folgetag.
Am nächsten Tag wollen wir die Tour zur Stadt Ica und in die tiefste Höhle Boliviens machen. Thomas ist nicht so begeistert von der Idee durch dunkle, enge Gänge zu kriechen. Deshalb beschliessen die beiden, eine andere Tour zu machen.
Mit dem Nachtbus ist noch eine Französin mehr eingetroffen, Amandine. Sie schliesst sich uns an und so ziehen wir zu sechst los, was die Tour wesentlich günstiger macht.
Den Morgen verbringen wir damit über und unter verschiedenste Gesteinsbrocken zu klettern, die angeblich früher den Menschen in der Region als Zufluchtsort gedient haben sollen, daher auch der Name Ica oder „die Stadt“ obwohl es sich nicht wirklich um eine Stadt handelt. Die Geschichte zu einer Art Höhle mit Bäumen, die den Eingang verdeckten, war ziemlich amüsant. Die Höhle dahinter wird Ochsenversteck genannt, da früher Kuh Diebe in der Gegend umherstreiften und ihre Beute in eben dieser Felsformation vor den Suchern aus dem Dorf versteckten.
Am Nachmittag fuhren wir zur grossen Höhle. Ich war schon mehrmals in Höhlensystemen und bin immer wieder fasziniert von der absoluten Dunkelheit, wenn kein Licht mehr brennt. Die Höhle soll eine der grössten in Südamerika sein. Leider wurde sie erst sehr spät mit einem Eisentor vor Eindringlingen und Plünderern geschützt. Viele der Stalaktiten und Stalagmiten wurden im Laufe der Zeit als Trophäen abgebrochen und mitgenommen. Ansonsten ist die Höhle wirklich eindrücklich. Inklusive einer Passage, bei der man wirklich nur mit kriechen auf dem Bauch durchkommen konnte. Alle dachten an Thomas, zum Glück hat er die Canyon Tour gewählt.
Am fernen Ende des öffentlich begehbaren Teils der Höhle befindet sich ein See. In diesem See hat es sogar Fische. Sie sind weitgehend transparent und womöglich blind, aber grösser als angenommen.
Am Abend treffen wir Carine und Thomas zum Abendessen. Gemeinsam geniessen wir das friedliche Leben hier in Toro Toro und beschliessen, dass wir am nächsten Tag nach getrennten Programmen gemeinsam nach Cochabamba fahren wollen.
Moritz und ich wollen mit dem Gleitschirm zum Kondor Kaga, einem Berg gleich hinter Toro Toro fahren und etwas fliegen, die Mädels und Thomas eine Halbtageswanderung machen.
Es kommt leider alles anders. Als wir uns zum Frühstück am Markt begeben, beginnt es zu regnen. Auch nach dem Morgenessen ist leider an Fliegen nicht zu denken. Die Mädels und Thomas sind auch nicht sehr angetan von der Idee im Regen zu Wandern. So begeben wir uns wesentlich früher als geplant zur Minibus Station. Etwas ungeduldig bezahlen wir nach einer Dreiviertelstunde Warten die noch nötigen zusätzlichen zwei Tickets. Cochabamba, wir kommen!
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