In den 20 Tagen die wir bis dahin in Bolivien verbracht hatten, bewegten wir uns immer auf mehr als 2500 Metern über Meer. Doch Bolivien besteht aus 3 Klimazonen: Das Gebirge und das Altiplano im Westen, die subtropischen Yungas und gemäßigten Täler der östlichen Ausläufer des Gebirges, sowie die tropischen Tiefebenen im Osten des Landes. Während wir die ersten beiden schon zur Genüge ausgekundschaftet hatten lockte uns die letztere mit Wärme und Urwaldabenteuern. Startpunkt für die Urwald- und Pampatouren im und um den Nationalpark Madidi ist Rurrenabaque, eine kleine Stadt am Fluss Beni. Um von La Paz nach Rurrenabaque zu kommen gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder 40 Minuten fliegen mit Amaszonas für 100us$ oder 17 Stunden Busfahrt für 11us$. Die Busfahrt führt durch die Yungeñas und bietet tolle Aussichten aber auch Nervenkitzel. Sie führt über Teile der sogenannten Death Road, eine der gefährlichsten Strassen der Welt wo es immer wieder zu Unfällen kommt und Erdrutsche und andere Naturgewalten regelmässig für die Verdoppelung der Fahrzeiten sorgen. In vielen Reiseführern wird diese Strecke als die schlimmste Busfahrt in ganz Südamerika bezeichnet.
Wir hatten uns aber schon für eine teure Tour im Urwald angemeldet und wollten deswegen beim Transport sparen. Wie schlimm kann so eine Busfahrt schon sein? Wir hatten ja schon so einiges erlebt.
Jeder den wir fragten empfahl uns die Busgesellschaft Flotas Yungeñas. Die hatten 2011 einen schlimmen Unfall mit vielen Toten und müssen anscheinend seither mehr in die Sicherheit ihrer Busse investieren, weil sie sonst ihre Lizenz verlieren würden.
So standen wir einen Tag später beim Busterminal von Villa Fatima in La Paz und bewunderten die mit verschiedenen Motiven, wie Wölfen und Kondoren wunderschön angemalten Busse dort. Über deren Alter konnte aber die 10 Schicht Farbe auch nicht hinweg täuschen. Spätestens wenn man im staubigen Inneren auf einem zerflederten Polster sass, jede Metallfeder spürend, wusste man was Sache ist. Immerhin liessen sich die Rücklehnen zurück klappen und uns auf etwas Schlaf hoffen. Zuerst durften wir aber noch die tolle Aussicht geniessen. Tiefe Schluchten, hohe Felswände und dichte Vegetation wo man hinsah. Manchmal sah man auch die Überreste eines Erdrutsches, aber wir hatten zum Glück immer freie Bahn.
Nach dem Stopp für das Abendessen in einem kleinen Dorf versuchten wir uns zurückzulehnen und etwas zu schlafen, was durch das ständige Geholper und Geschwanke ziemlich erschwert wurde. Als der Bus um 5 Uhr morgens pünktlich in Rurrenabaque ankam hatten wir vielleicht 3 Stunden geschlafen und dazwischen etwas gedöst. Definitiv kein Picknick aber alles gar nicht so schlimm wie es vorher aussah entschieden wir als wir in der französischen Bäckerei in Rurre sassen und Croissants und Pain au Chocolat assen und guten Kaffee tranken. Erstaunlich wo auf der Welt man auf solche Annehmlichkeiten stösst.
Als wir dann auch noch den Tour Start um eine Stunde verschieben mussten, weil die zwei Mitglieder unserer Gruppe die mit dem Flugzeug kamen Verspätung hatten waren wir überzeugt die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Unsere Gruppe wurde dann endlich drei Stunden mit einem Boot den Fluss Beni runter gefahren und schliesslich ausgeladen von wo wir noch 30 Minuten bis ins Haupthaus des Serere Reservats durch den Dschungel laufen mussten. Als Unterkunft wurden in den Urwald einige Bungalows gebaut, die als Wände nur Moskitonetze haben. Jede Zweiergruppe hatte ihren eigenen Bungalow.
Als alle ihre Quartiere bezogen hatten machten wir einen ersten kleinen Ausflug auf den See mit einem kleinen Ruderboot. Unser Guide Zenón erzählte uns viel vom Urwald. Am Ufer konnten wir die Affen in den Bäumen rumspringen sehen und aufgeschreckte Vögel die sich fliegend in Sicherheit brachten. Leider konnten wir keinen Kaiman finden. In dieser Jahreszeit sei es schwer wegen dem hohen Wasserstand. Das Nachtessen genossen wir im Kerzenlicht. In der ganzen Serere Lodge gibt es keinen Strom. Die vielen Glühwürmchen die wir draussen rumschwirren sahen machten das Ganze noch besser. In der Nacht wurden die Geräusche des Urwalds leiser aber man war trotz der luxuriösen Bungalows mit Bad und Doppelbett mittendrin. Am Morgen wurden wir von einer Gruppe Kapuzineraffen geweckt, die durch die Baumwipfel in der Nähe turnten.
Auf schmalen Pfaden und manchmal auch nur mithilfe der Machete bewegten wir und an diesem Tag immer tiefer in den Urwald, auf der Suche nach exotischer Flora und Fauna. Zu jedem Fund wusste Zenón einiges zu erzählen. Er ist in diesen Wäldern aufgewachsen und kennt sie wie seine Hostentasche. Für uns spürte er verschiedenste Affenarten, Vögel, Schlangen, Ameisen und Eidechsen auf. Er erklärte uns wie er sich mittels Klopfsignalen auf grossen Baumwurzeln mit anderen, weit entfernten Guides verständigen kann, aus welchen Lianen er Trinkwasser gewinnen kann und wo und wie er eine Nacht im Dschungel überstehen würde. Zu den verschiedenen Heilpflanzen konnte er immer auch noch eine Geschichte zum Besten geben wie er sie einmal anwenden musste.
Auf der Fruchtplantage des Reservats zeigte er uns, dass wir Europäer keine Ahnung haben wie man eine Grapefruit verzehrt. Auf dem Weg zurück, verfolgten wir eine Gruppe von 50 wilden Schweinen weit in den Urwald. Es dunkelte schon ein als wir zum Boot zurückkommen. Perfektes Timing um nach Kaimanen zu suchen. Langsam paddelte Zenón uns dem Ufer des ganzen Sees entlang und leuchtete mit seiner Taschenlampe ins Schilf um die Reflexion in den Augen eines Kaimans zu entdecken. Nach 40 Minuten, wir waren mittlerweile trotz dem stärksten Gift von den Mücken völlig verstochen, wollten wir schon aufgeben als wir mitten auf dem See einen grossen Schatten mit leuchtenden Augen entdeckten. Langsam paddelten wir näher bis wir das zwei Meter lange Vieh aus nächster Nähe im Lampenlicht betrachten konnten. Als der Kaiman langsam davon schwamm paddelten wir hinterher bis wir erneut nur einen Meter entfernt waren. Als Aless hinter mir ihre GoPro einschaltete um das Erlebnis zu filmen fühlte sich der Kaiman durch das Piepsen so gestört, dass er schnell und mit einem grossen Satz im Wasser verschwand. Einige unserer Gruppe erschraken dabei so, dass unser Boot nahe am Kentern war. Ein eindrückliches Erlebnis über das wir beim Nachtessen zusammen herzlich lachen konnten.
Den Morgen des dritten Tages verbrachten wir mit einem weiteren Spaziergang durch einen anderen Teil des Reservats, auf der Suche nach einem Faultier. Wir sahen viele Dinge, wie den Arbol del Diablo, ein Baum wo sich Feuerameisen einnisten und der von den Urvölkern benutzt wurde um ihre Feinde zu foltern indem sie sie nackt an diese Bäume fesselten sowie weitere Heilpflanzen, riesige Schmetterlinge und wunderschöne Blumen, aber leider kein Faultier. Mit vielen neuen Erfahrungen und Eindrücken im Gepäck fuhren wir an diesem Nachmittag mit dem Langboot flussaufwärts zurück in die Zivilisation. Kaum zu glauben, was wir in dieser kurzen Zeit alles erleben durften.